Heute Morgen bin ich kaum aus dem Bett gekommen. Ich lag wie festgetackert, mit diesem grauen Gewicht in der Brust, das mich langsam auffrisst. Es ist nicht nur Müdigkeit. Es ist diese tiefe, hohle Erschöpfung, die mir sagt, dass es völlig egal ist, ob ich aufstehe oder nicht. Aber Fritz braucht mich. Er röchelt schon, wenn ich noch nicht mal meinen ersten Kaffee hatte, und dann fängt der Tag an wie ein Sturz in eiskaltes Wasser. Ich funktioniere. Ich bin nur noch Funktion.
Ich hab ihm den Inhalator festgehalten, obwohl meine Hände gezittert haben. Ich weiß nicht, ob ich wirklich da war oder ob ich mich nur bewegt habe, weil ich weiß, wie’s geht. Ich hab wieder vergessen, mich selbst zu waschen. Dabei stinkt mein Shirt schon nach drei Tagen, aber es ist mir egal. Ich schäm mich dafür, aber ich kann’s nicht ändern. Ich bin einfach leer.
Zwischendrin saß ich auf dem Sofa, Fritz hatte seinen Krampfanfall gerade überstanden, und ich habe gedacht, vielleicht hab ich Schuld. Vielleicht bin ich der Fehler. Vielleicht hat er mich deswegen als Mutter gekriegt, weil irgendwas schiefgelaufen ist im System. Ich hab geträumt, ich hätte früher abgetrieben. In dem Traum hab ich geschrien, geweint, alles durchlebt – und gleichzeitig hab ich’s verstanden. Ich hab mich selbst angeklagt und verurteilt, im Schlaf. Wie kann man sowas überhaupt träumen? Ich hab mich noch nie jemandem erzählt. Aber du, Buch, du verzeihst mir vielleicht.
Dann kam dieser Moment – ich sah Fritz an, wie er sich beruhigte, wie sein kleiner Körper zitternd in den Kissen lag, und ich spürte plötzlich so eine Sehnsucht. Nach Berührung. Nach einem Leben, das nicht nur aus Medikamenten, Formularen und Angst besteht. Ich weiß nicht mal, wonach genau ich mich sehne. Vielleicht einfach nach einem Arm, der mich hält, ohne was zu wollen. Nach einer Stimme, die mir sagt, dass ich noch existiere, jenseits der Pflege, jenseits der Pflicht. Vielleicht nach mir selbst, wie ich früher war, als ich noch lachen konnte, ohne gleich zu denken, ich darf das nicht.
Ich weiß nicht, ob ich mir das je wiederholen kann. Aber irgendwas in mir will es noch. Irgendwas lebt noch. Und das macht mir genauso Angst, wie es mir Hoffnung gibt.
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