Charlott — Samstag, der 6. Juni
Die Tür zur Reha‑Station schließt sich hinter mir mit einem dumpfen Geklack. Es bricht mich in die Gedanken an Fritz: Ein Schlag‑Herz‑Monitor gibt den Takt für Fritz’ Mono‑Atmung an – ein Metallklang, der mir das Bild von einer kleinen, leblosen Maschine in den Kopf drückt. In diesem Moment breitet sich Angst wie kaltes Wasser über meine Brust aus.
Nicht die Angst, dass er sterben könnte – das ist ein längst eingewürdigtes Grauen –, sondern die Angst, dass ich selbst im Strudel der Pflege‑Vorschriften ertrunken bin, dass ich meine Stimme nicht mehr erheben konnte und kann, weil diese Klinik, der Psychodoc mir das Wort „Kopf“ aufzwingt, sobald ich nach einem Stück Normalität frage.
Meine Hände zittern, nicht, weil ich den Beatmungsschlauch gedanklich halte, sondern weil Erschöpfung jede Faser meines Körpers durchdrang und wieder durchdringt. Der Pflegedienst hatte einen 24‑Stunden‑Plan für Fritz erstellt, der wie ein Marathon war, den ich nie begonnen habe. Jede Schicht, jedes Protokoll, jedes Formular füllt die Leere, die einst von einem einfachen Tagesablauf ausgeräumt war. Im Spiegel sehe ich meine trockene Haut, die Falten, die wie Risse im Asphalt einer Straße aussehen, die kaum noch befahrbar ist. Doch das Tippen hier auf der alten Schreibmaschine, das rhythmische Klicken der Tasten, ist das einzige Geräusch, das mich noch an meine eigene Existenz erinnert – ein kleiner Widerstand gegen das Aufgeben.
Und doch, zwischen den schwarzen Zeilen, flackert ein winziger Funke: Zuversicht. Sie ist nicht das laute „Alles wird gut“, sondern das leise Versprechen, dass jeder Tag, an dem ich ihre Stimme in den Briefkasten der Hoffnung bringe, ein Schritt ist, der Fritz näher an einen Moment führt, in dem er wieder selbstständig atmen kann – wenn auch nur für ein paar Sekunden. Ich stelle mir vor, dass er eines Tages wieder ein Lächeln zeigt, das nicht von Schmerz, sondern von Neugier getrieben ist. Ich will diesen Funken nähren, indem ich meine Schreibmaschine nicht mehr als Flucht, sondern als Werkzeug sehe, um meine Gedanken zu ordnen und ein Netzwerk aus kleinen Möglichkeiten zu knüpfen.
Ich nehme den Bleistift, atme tief ein, lasse das Licht auf das weiße Blatt fallen und schreibe: Angst ist das Geräusch, das uns warnt; Erschöpfung ist das Gewicht, das uns lehren lässt, wo wir stehen; Zuversicht ist das Licht, das wir trotz allem weiter schalten. So schließe ich den Tag, wissend, dass das nächste Kapitel erst dann beginnt, wenn ich die nächste Zeile ansetze.
–Charlott